Tagestour zum Keeskogel (3291m)

Veröffentlicht am 26. Oktober 2023 um 12:49

Den absoluten Höhepunkt bildete die Tour vis à vis des Großvenediger am 29.10.2022. Die zwei Wanderungen zu Wochenbeginn und in der Wochenmitte waren ja schon phantastisch... die Tour, die ich jetzt sehr ausgiebig beschreiben möchte, setzte dem Ganzen jedoch die Krone auf und stellt ein absolutes Highlight der vergangenen Jahre dar.

Wie immer gilt: Hier im Blog verwende ich hauptsächlich Handybilder. Aufnahmen, die ich mit der "großen" Kamera gefertigt habe, findet Ihr in der Buidlgalerie.

Zum Ende einer recht langen Anfahrt von über 90 Minuten kam kurz vor Erreichen eines Parkplatzes bei Neukirchen am Großvenediger doch noch Spannung auf. Im Stockfinsteren war die "Straße" kaum zu erkennen. Diese war teils von kürzlich abgegangenen Muren in Mitleidenschaft gezogen worden, sodass der Autowagen mehrfach beinahe aufsetzte.

Noch im Finsteren erreichten wir schließlich den Parkplatz Hopffeldboden direkt an der Grenze des Nationalparks Hohe Tauern auf etwa 1070m.

Im schwachen Licht einer Stirnlampe machten wir uns unter Sternenhimmel auf den Weg durch den ausgekühlten Bergwald. Die geschotterte Fahrstraße (Weg 914) verlief unter geringer Steigung bergan. Von der ersten Minute an begleitete uns lautes Rauschen des parallel fließenden Obersulzbaches.

In der nun schnell einsetzenden Morgendämmerung steilte die Straße etwa 20 Minuten nach Abmarsch an und führte uns zügig an Seebachfall und Gamseckfall vorbei hinauf zur Berndlalm auf etwa 1500m. Diese bildet den Eingang ins Obersulzbachtal, wo der Weg deutlich ebener verläuft:

Die Kombination aus fortgeschrittener Jahreszeit, geschlossenen Almen und der unchristlichen Uhrzeit führte dazu, dass wir lange Zeit mutterseelenallein durch die Bergwelt wanderten.

Nachdem wir die Berndlalm passiert hatten, öffnete sich der Blick hinein ins Obersulbachtal. Der nahezu ebene Weg verlief weiterhin parallel zum Bach. Das Tal wird beidseitig eingefasst von bis zu 3000m hohen Kämmen. Von diesen rauschten immer wieder Bäche und Wasserfälle nieder. Der nächste größere Wasserfall war der Foißbachfall, welcher westlich des Obersulzbaches zu Tal stürzt.

Während wir Poschalm und Schiedhofalm passierten, wurden die höchsten Gipfel nun langsam von den ersten Sonnenstrahlen erfasst. Im Süden und damit immer im Blickpunkt - die Nordabbrüche des Großen Geiger (3360m) links und Maurerkeeskopf (3311m) rechts.

Eine Kurve weiter rückte eine Baustelle in den Blickpunkt. Erster Eindruck: Was für ein gigantischer, kürzlich erfolgter Felssturz. Ein riesiger Schuttkegel füllte das gesamte Tal aus und an dessen nördlichen Ausläufern knabberten Bagger.

Riesige Gesteinsmassen müssen da unterhalb von Großkopf und Käferfeldspitze herunter gekommen sein. Einzelne Felsblöcke, größer als manch Einfamilienhaus, lagen herum. Der teilweise Bewuchs auf dem Kegel zeigte jedoch - das kann nicht in einem abgegangen sein.

Erklärungen zu den geologischen Vorgängen liefern an dieser Stelle zwei Schautafeln. Finde ich persönlich richtig klasse, dass solch Prozesse aufgezeigt und erläutert werden!

Gegenüber schneidet sich der Vordere Jaidbach in die westlichen Hänge:

Nach einer weiteren Wegbiegung steuert man auf die Postalm zu. Von dort aus geht es wieder deutlich steiler bergan.

Trotz langsam fortschreitender Tageszeit erreichte den Talboden auf Grund der steilen Hänge kaum Licht. Um so schöner strahlte das morgendliche Licht dann auf den frischen Neuschnee, welcher ab etwa 2800m noch vom Wochenstart übrig geblieben war.

Von der nächsten Steilstufe bietet sich ein schöner Überblick über die zurückgelegte Wegstrecke ab der Berndlalm - während über die östlichen Hänge immer wieder Wasser zu Boden rauscht:

Nach weiteren 20 Minuten flacht die Fahrstraße wieder ab, man erreicht den oberen Keesboden wo die Straße bald an der Talstation einer Materialseilbahn der Kürsinger Hütte endet.

Aus der Fahrstraße wird ein schmaler Pfad (Weg 12B), welcher uns wieder näher an den Obersulzbach heranführte. Dieser plätschert zwischen glatten, vom Gletscher geschliffenen, Felsen hindurch.

In allen Richtungen gibt es hier Interessantes zu sehen und zu lesen. Immer wieder findet man Schautafeln mit nützlichen Informationen, während die Gipfel mehr und mehr von der Sonne beschienen wurden:

Mit Blick auf den Geiger ging es dann sehr steil links am Hang auf Weg 12 hinauf zur Kürsingerhütte auf etwa 2550m. Durch das schräg einfallende Licht entstanden an dieser Stelle meiner Meinung nach mit die schönsten Fotos:

Von technischen Herausforderungen zu schreiben wäre deutlich übertrieben, aber im Vergleich zu den Touren zuvor war nun zumindest erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich. Bei zunächst gröberem Blockwerk und mit zunehmender Steilheit des Geländes teils versicherten Stellen, meldete sich zwischenzeitlich doch mal meine latent vorhandene Höhenangst. Großartig ausgesetzt ist der Pfad auch weiterhin nicht, ein Fehltritt könnte hier aber dennoch böse Folgen haben:

Endlich beinahe auf Augenhöhe und in voller Ausdehnung - Schnee und Gletscher v.r.n.l.: Jaidbachspitze (3100m), Schlieferspitze (3290m), Hintere Sonntagsköpfe (3136m)

Kurz vor Erreichen der Kürsinger Hütte lehnt sich das Gelände wieder etwas zurück. Über Blockwerk und herbstliche Grashänge ging es die letzten Meter hinauf bis zur Hütte.

Als wir gut 4 h nach unserem Aufbruch an der Hütte ankamen, brannten meine Beine doch schon ganz ordentlich... und der anstrengendste Abschnitt stand uns noch bevor.

Mit Blick hinab auf den Gletschersee Obersulzbachtal auf etwa 2210m hielten wir an der Hütte Rast. Mehr Zeit als ursprünglich vorgesehen investierten wir in diese Erholungsphase. Etwa 30 Minuten genossen wir den phantastischen Ausblick auf die angezuckerten Gipfel und Gletscher. Als besonders beruhigend und entspannend empfinde ich dieses typische entfernte Rauschen diverser Bäche, welches so nur im Hochgebirge zu vernehmen ist.

Auch hier oben trafen wir keine Menschen - es war phantastisch ruhig. Einzig das leiste Klicken der Fotokamera durchbrach ab und an die Stille:

Hinterhalb der Hütte wird es wieder deutlich steiler und es geht direkt hinein in eine Steinwüste. Keine Pflanzen mehr, nicht mal mehr Gras und - wie sich alsbald heraus stellte - dummerweise auch kein Wasser mehr. Da denkt man es wäre clever nicht ganz so viel Wasser mitzuschleppen, da man dieses ja unterwegs problemlos auffüllen kann... und stellt dann nur ein paar hundert Meter oberhalb der Hütte fest, dass die Vorräte aufgebraucht sind, man bei der Hütte vergessen hat aufzufüllen und es jetzt nichts mehr gibt. Da schlägt man sich doch mal mit der flachen Hand vor die Stirn. Aber wurscht, es muss ja weiter gehen.

Es folgte weiterhin grobes Blockwerk, welches prinzipiell sehr angenehm zu erklettern ist. Bevor es dann über einen steilen Aufschwung, an dem der Weg über loses Geröll verläuft, hinauf geht, überschreitet man die Grenze des Wildnisgebietes innerhalb des Nationalparks Hohe Tauern:

Im Bild schwer zu erkennen - hier geriet wirklich alles ins Rutschen (auch mein Glauben daran, dass ich es noch bis zum Gipfel auf fast 3300m schaffen würde), während es bei etwa 45° Steigung hinauf ging. Zwei Schritt vor, einen zurück:

Unten nur zur Dokumentation: Rechts noch so gerade im Bild der Kleinvenediger, links unser Tagesziel - der Keeskogel mit seinen 3291m:

Und wieder: volle Sonne, kein Wind, eine Wärme wie im Hochsommer... und meine Trinkblase, die auch nicht mehr hergab als heiße Luft. Da war ich zunächst froh, als wir auf gut 2900m Höhe im Schnee anlangten:

Kaum zu erkennen, da leider nur ein Handybild - für die Entfernung nicht das richtige Objektiv an der großen Kamera... das große Schaf zeigte sich doch sichtlich verwundert ob des zweibeinigen Besuchs:

Der neck breaker:

Was man auf diesem Bild sieht... zwei Menschen! Einen, der zu blöd zum Werfen und ein zweiter, der zu dumm zum fangen ist :D

Die Spur im Schnee stammt von einer nicht gefangenen Wasserflasche, die sich in der Folge wegen des glatten Geläufs in Richtung Tal verzog.

Im Festen Glauben meinen Durst nicht mehr in den Griff zu bekommen, war an dieser Stelle Schluss mit dem Aufstieg:

Der Blick auf den Höhenmesser zeigte zwei Dinge: bitter, weit unterhalb des Gipfels abbrechen zu müssen, aber immerhin Mindestziel erreicht. Zumindest hatten wir es bis auf über 3000m Höhe geschafft.

Abgesehen von meinen persönlichen Grenzen sprach auch die doch noch recht üppige Schneelage auf dieser Höhe gegen einen weiteren Aufstieg. Bei so manchem Schritt gab die Schneedecke bis zu den Knien und darüber hinaus nach.

Insofern hielt sich die Enttäuschung in Grenzen (hätten wir gewusst, wie spät wir zurück am Auto sein sollten, hätten wir an dieser Stelle möglicherweise so oder so abgebrochen). Wir nahmen uns daher ein wenig Zeit für ein paar Fotos und begaben uns dann auf den Weg zurück ins Tal.

Blick Richtung Südost zum Klein- und Großvenediger mit 3657m

Südwest: Großer Geiger (3360m), Hinterer Maurerkeeskopf (3311m) und nochmals Schlieferspitze (3290m):

Panorama gen Süden: v.r.n.l.: Hinterer Maurerkeeskopf (3311m), Großer Geiger (3360m), Klein- und Großvenediger (3470m und 3657m):

Wenn Enttäuschung und Erschöpfung in absolutes Hochgefühl umschlagen - es ist immer ein besonderes Vergnügen durch unberührten Schnee zu stapfen. Bei diesen Bedingungen am Keeskogel war es jedoch unbeschreiblich. Noch viel größere Kontraste kann es doch kaum geben. Eine Hitze, dass man es sich kaum vorstellen kann und doch so viel Schnee bei nahezu perfektem Bergwetter und klarer Luft:

Auch wenn wir bis dahin niemanden gesehen hatten... ganz alleine waren wir wohl doch nicht:

So recht trennen wollte ich mich trotz aller Erschöpfung nicht. Welch unvergleichlicher Ausblick bot sich uns nach wie vor. Insbesondere der Großvenediger rückte mit seiner weißen Haube im Licht des fortschreitenden Nachmittags trotz des Abstiegs mehr und mehr in den Fokus:

Zurück am Gletschersee fanden wir noch einmal Zeit und Muße die restlichen - eigentlich für den Gipfel vorgesehenen - Vorräte wegzufuttern. Und das war insofern auch gut so, da ich mittlerweile glaube, dass ich es ohne diese Ration nicht mehr bis zurück zum Auto geschafft hätte. Gerade wenn man die Landschaft beim Aufstieg bereits kennen gelernt hat, finde ich, dass sich der Rückweg umso mehr zieht.

Trotz des nun immer schneller schwindenden Lichts nahmen wir uns die Zeit für einen kleinen Video-Stopp am Oberlauf des Obersulzbaches. Auch die zwei folgenden Videos bieten nichts weiter Spannendes, sollen im Gegenteil der Entspannung dienen:

Nachdem wir uns auch hier erfolgreich losgeeist hatten, ging es relativ eintönig die Fahrstraße wieder hinab. Zunächst genoss ich natürlich auch diese Eintönigkeit noch - die Landschaft war ja nicht minder schön. Als uns jedoch hinterhalb der Berndlhütte der Wald wieder verschluckte, es langsam dunkel wurde und alle Knochen und Muskeln nur noch schmerzten, wurden die letzten Meter zum Kampf.

Nichts desto trotz reiht sich diese Tour in meiner Top 5 aller jemals unternommenen Wanderungen ein und noch immer bekomme ich Gänsehaut, wenn ich voller Freude daran zurück denke!

Relativ trocken lesen sich dann die Tourdaten: 

Gesamte Strecke: 31,4km; 1933m rauf und natürlich auch wieder runter; 9:27h in Bewegung, Gesamtzeit zwischen Aufbruch am Auto und Rückkehr zu selbigem: 11:03h.

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