Das zuvor sehr warme Wetter wurde am Nachmittag des 20.07.2025 eindrucksvoll durch ein Gewittersystem ausgeräumt, welches unter Ausbildung einer massiven Böenwalze über den Niederrhein hinweg zog.
Schon Tage zuvor deutete sich in mehreren Wettermodellen eine zu Gewittern neigende Wetterlage für den 20.07.2025 an. Wie bei solchen Lagen üblich, variierten die Modelle in Bezug auf Zeitpunkt und Ausprägung der Gewitter. Am progressivsten ging hierbei das SuperHD von "kachelmannwetter.de" vor, indem es eine durchgehende Gewitterlinie vom Norden bis in den Süden prophezeite. Am defensivsten war das ICON-D2 Modell unterwegs. Dieses ist in aller Regel am ehesten mit dabei, wenn es um Gewittervorhersage geht. Für den 20. ging es jedoch nur von vereinzelten Gewittern, eingelagert in ein größeres Regengebiet, aus. Auch vom zeitlichen Ablauf differierten die Modelle bis kurz vor Eintreffen deutlich. Während das SuperHD von den Nachmittagsstunden (16 bis 18 Uhr) ausging, wollte das ICON bereits gegen 13 Uhr ein erstes kräftiges Gewitter, später gegen 19 oder 20 Uhr dann das Regengebiet, über den Niederrhein schieben. Gekommen ist es dann beinahe umgekehrt - also ziemlich genau so, wie es das SuperHD angekündigt hatte.
Bereits ab den späteren Vormittagsstunden behielt ich das Wetterradar genau im Auge. Als sich bis 13:00 Uhr noch immer keine nennenswerten Radarsignale bezüglich Niederschlägen zeigten, begab ich mich gegen 14:00 Uhr ganz entspannt zu meinem üblichen Aussichtspunkt am Rheindeich bei Dinslaken. Dieser bietet einen (für hiesige Verhältnisse) relativ freien Blick in Richtung Süd-West über West bis Nordwest. Die angekündigte Kaltfront sollte sich schleifend (Kurzfassung: Die Front an sich kommt aus westlichen Richtungen herein gezogen, die an ihr entstehenden Gewitterzellen ziehen jedoch eher von Süd nach Nord. Dies sorgt für reichlich Richtungsscherung in den Luftschichten. Richtungsscherung kann dazu führen, dass Gewitterzellen beginnen zu rotieren. Rotierende Gewitterzellen können zu sog. Superzellen heranwachsen, Großhagel und sogar Tornados hervor bringen) aus süd-westlichen Richtungen annähern.
Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte sich eine Geschlossene Decke aus hoher bis mittelhoher Bewölkung ausgebreitet. Die Sonne schaffte es nur noch schwach hindurch. Sogar ein paar Regentropfen fielen, reichten jedoch nicht einmal aus, um den typischen Sommerregen-Geruch hervorzurufen.
Dies hatte zur Folge, dass ich die Zeit am Deich zunächst anders nutzen konnte.
Nun wäre es an dieser Stelle möglich NOCH weiter abzuschweifen - im Bereich des Rheindeichs bei Dinslaken wurde schließlich die Emschermündung in den Rhein aufwendig renaturiert - allein, das würde hier zu weit führen und wäre auch zu weit weg vom eigentlichen Thema.
Durch die Umgestaltung der Emschermündung mittels weitläufigem Delta, ist hier weit mehr Raum für Tiere aller Art geboten. Insbesondere Wasservögel und anderes Federvieh hat sich hier sprichwörtlich eingenistet. Wegen der großen Distanzen bietet es sich an, mit höher auflösenden Kameras und eher mehr als weniger Brennweite auf die "Jagd" zu gehen. Neben allen anderen an diesem Tag anwesenden Viechern, hatte es mir ein Stieglitz besonders angetan. Zunächst tänzelte er nur schwer auszumachen im hohen und größtenteils vertrockneten Gras umher und Gras sich an Samen und kleinen Körnern satt. Schließlich beendete er sein Mal und hockte sich auf einen freistehenden Aussichtsast - ein Traum für Fotografen. Sichtlich unbeeindruckt knabberte er recht unmotiviert auf einem Stückchen Blatt herum, bevor...
... er den penetranten Fotografen bemerkte. Der Blick sprach wirklich Bände und schien sowohl Verwunderung, Schreck und eine gewisse Verurteilung ob der Störung auszudrücken:
Nach Überwindung des ersten Schrecks, wandelte sich der Gesichtsausdruck in die pure Ablehnung. "Noch einen Schritt näher, und ich verhaue Dich" schien er mir vermitteln zu wollen - zumindest kam die Botschaft bei mir so an:
Da ich mich in der Kleintierwelt nun unbeliebt gemacht hatte, wackelte ich gemütlich auf dem Deich zurück zu meiner Lieblingsörtlichkeit, wenn es um Wetterfotografie geht.
Ein Blick auf das Wetterradar lieferte die Erkenntnis, dass sich etwa in Höhe der Süd-westlichen Landesgrenze die Kaltfront formierte und mehr und mehr Gewitter entstehen lies. Ich verräumte daraufhin die Brennweite und wechselte auf den weiten Winkel, um möglichst viel Szenerie einfangen zu können. Schließlich kann man nie ganz genau sagen auf welcher Zugbahn sich nun die Gewitter genau bewegen werden.
Gerade aufgebaut, reisten zwei Jungstörche eines nahegelegenen Horstes an. Ohne sich groß von den seltsamen Zweibeinern stören zu lassen, pickten sie sich emsig den gesamten Deich hinunter bis auf die Überflutungswiesen, welche diesen Sommer bereits lange trocken liegen.
Ein ortsansässiger Ornithologe gesellte sich hinzu und gemeinsam verfolgten wir kurze Zeit das Treiben der zwei Störche. Mit seinem Profi-Spektiv fiel dem Vogelkundler jedoch sehr bald auf, dass einer der beiden Störche wiederholt einen länglichen Gegenstand aufsammelte und drohte diesen herunter zu schlingen. Klar habe er den Gegenstand als Angelköder mit Haken ausgemacht.
Und nun - was tun?!
Erst einmal fix ein Foto schießen um sicher zu gehen, dass man sich nicht täuscht und dann...
Eine (hoffentlich) gute Tat mehr auf dem Konto - wie schön.
Noch in Gesprächen bezüglich der Großthematik Naturschutz und in diesem Rahmen Pragmatismus und auch etwas Idealismus, zeigten sich erste zaghafte Strukturen am Himmel weit im Süd-Westen. Es war also Zeit die zwei Kameras, welche für die Zeitraffer vorbereitet waren, anzuschmeißen:
Obwohl, wie auf einem der ersten Bilder des Zeitraffers zu erkennen, westlich schon erste größere Quellungen standen, brauchte das System noch eine ganze Weile, bis es unseren Standort erreichen sollte. Im Zeitraffer (ganz unten auf dieser Seite) ist der Grund hierfür perfekt zu beobachten. Quasi direkt zu Beginn an ist eine Gewitterzelle zu erahnen, welche von links nach rechts durch das Video marschiert, also grob von Süden nach Norden.
Erst, als sich diese Gewitterzelle schon nahezu westlich unseres Standortes befand, schwächte sie sich ab. Gleichzeitig bildete sich die eigentliche Gewitterlinie an der Kaltfront aus. Sie brachte aus Sicht eines wetterverrückten Fotografen das absolute Schmankerl hervor. So bildete sich zunächst weit im Süden, sowie nord-westlich, eine massive, in großen Teilen rotierende Böenwalze.
Eine solche Böenwalze entsteht unter anderem dann, wenn die Luft durch starke Niederschläge rapide herunter gekühlt wird. An der Grenze zwischen nun kalter und warmer Luft kondensiert die Feuchtigkeit aus - es bilden sich tief hängende Wolken. Durch die Konvektion innerhalb der Gewitter wird die vorlaufend warme Luft in die Gewitter nach oben gesaugt. Die abgekühlte Luft sinkt ab, wird hierbei von den Niederschlägen noch beschleunigt (quasi zum Boden hinunter gedrückt) und am Boden in alle Richtungen zu den Seiten hin weggedrückt.
Am 20.07. hatten wir es aber nicht nur mit einem Gewitter zu tun, sondern mit einer ganzen Linie. Insofern konnte die kalte Luft nur linear von den Gewittern davon fließen. Daher bildete sich vorlaufend eine ganze Böenfront aus. Auch hinter der Gewitterlinie rollten tief hängende Wolken her. Hierbei handelte es sich offenbar um eine "roll-cloud", also ein in sich rotierender, waagerechter Wolkenschlauch. Hiervon gibt es Aufnahmen in den sozialen Medien, nach hier verlangte leider der Arbeitgeber, weswegen mir zumindest dieses Schauspiel entging.
Herangezooooomt auf 70mm Brennweite:

Das Gewitter, welches sich bereits frühzeitig vor der eigentlichen Front gebildet hatte, kühlte die Umgebungsluft in seinem Einflussbereich bereits frühzeitig herunter, weswegen hier die Temperaturkontraste nicht so groß waren wie weiter südlich und westlich. Bis kurz vor Erreichen unseres Standortes, war die Böenwalze daher in diesem Bereich noch unterbrochen. Die Niederschläge an der Front waren jedoch so kräftig, dass der Temperaturkontrast jedoch auch hier bald so groß war, dass sich die Walze schloss und bei uns nahezu den gesamten Horizont gen Süd-west einnahm.
Welch gigantisches System, das da direkt auf uns zuzog. Ich hatte den Eindruck, dass selbst Menschen, welche mit Wetter sonst eher weniger zu tun haben, durchaus trotzdem fasziniert von diesem Eindruck fasziniert waren.
Allein, das die deutliche Rotation innerhalb der Gewitterlinie teils so kräftig war, dass sie mit bloßem Auge erkennbar wurde, je weiter sich die Front annäherte, sorge für einiges Aufsehen.
Allerdings gehört auch an dieser Stelle erneut explizit darauf hingewiesen, dass es generell nicht ungefährlich ist, ein solches Gewittersystem derart nah an sich heran zu lassen. Möchte man jegliche Eigengefährdung ausschließen, sollte man frühzeitig Deckung suchen. Allein das Vorhandensein der im oberen Bild deutlich erkennbaren Böenwalze, deutet auf unterschiedlichste Gefahren hin bzw. steckt schon in dessen Bezeichnung selbst. Kurz vor und mit Passage der tief hängenden Wolkenfetzen ist mit stark auffrischendem, wenn nicht deutlich stürmischen Windböen zu rechnen. Darüber hinaus bilden sich solche Strukturen besonders gern direkt vorlaufend von Gewittern - wie im vorliegenden Fall ja auch. Insofern muss bereits deutlich vor Passage der Wolkenfront mit Blitzeinschlägen gerechnet werden. Auch, wenn sie bei Helligkeit nur schwer zu fotografieren sind und daher auch im Zeitraffer nicht auftauchen - im Bereich der Front schlugen mehrere positiv geladene Blitze rundherum ein. Die Position auf dem Rheindeich ist daher doppelt und dreifach gefährlich. Einerseits wird der Wind durch den ansteigenden Deich zusätzlich beschleunigt und Blitze schlagen gerne in höher gelegenes Gelände ein.
Weiterhin ist vom Himmel fallendes Eis nicht zu unterschätzen. Dass es bei Gewittern ab und an zu Hagel kommen kann, dürfte niemanden schockieren. besonders gut lässt dich Hagel in einer Gewitterzelle auch ohne entsprechende Apps oder Informationen mancher Webseiten erkennen. Normalerweise scheinen Wolken bläulich-grau, abhängig natürlich von der Tageszeit und einfallendem Licht. Wenn dieses grau-blau jedoch in türkis oder gar grünliche Färbung übergeht, dann ist das ein deutliches Signal für das Vorhandensein kleinerer oder größerer Hagelkerne in der Gewitterzelle. Schaut man sich nun erneut das obere Bild an - nun ja, eine leicht türkise Färbung ist durchaus zu erahnen.
Kurz bevor uns die vorlaufende Böenwalze sprichwörtlich überrollte, klatschte sie uns Sturmböen mit bis an die 80 km/h, sowie erste Regentropfen um die Ohren. Der starke Niederschlag der eigentlichen Gewitterlinie zeichnete sich deutlich als nahezu weiße Fläche, hervorgerufen durch aufgepeitschtes Wasser auf dem Rhein, ab.
Ausgerechnet diesen Zeitpunkt suchten sich die in der Nähe heimischen Seeadler aus, um zurück zum Horst zu flüchten. Flugkünstler, die sie glücklicherweise sind, schafften sie es heil durch den Sturm. Etwas wackelig dürfte der Flug trotzdem ausgefallen sein:

Und das war dann das finale Signal die Beine in die Hand zu nehmen und einen nahegelegenen Unterschlupf aufzusuchen. Was kamen da in der Folge für Wassermassen herunter. In Dinslaken und Duisburg sorgte die Gewitterlinie mal wieder für überschwemmte Straßen - nicht, dass man bei der quasi kaum noch vorhandenen Sicht überhaupt noch hätte schnell von A nach B fahren können.
Und trotzdem - musste ich leider den Hut nehmen und meine Arbeit antreten.
Was für ein Tag. Rückblickend betrachtet war das - trotz noch leicht angeschlagener Gesundheit - einer der grandiosesten Wetterbeobachtungstage meines Lebens. Solch Strukturen sieht man dann doch relativ selten in unserer Gegend. Noch dazu vom Timing her kaum zu toppen. Einen Tag zuvor lag ich noch deutlich erkältet im Bett, dann zog die Gewitterlinie bis etwa 17:30 Uhr auf und um 18:30 Uhr wäre Deadline gewesen für den Aufbruch zur Arbeit. Zur sprichwörtlichen Feier des Tages führte mich letztere in's Parookaville, wo ich dessen Abschlussfeierlichkeiten mit einer phantastischen Drohnenshow beiwohnen durfte.
Zu guter letzt gibt es dann hier noch die versprochenen und meiner Meinung nach perfekt gelungene Zeitraffervideos vom 20.07.2025:
Erstellt: Chris 27.07.2025
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